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Erschöpfung, Paral­lelimporte und selek­tive Ver­triebs­systeme

Im Markenrecht gibt es den Grundsatz der Erschöpfung. Nach diesem Prinzip kann ein Markeninhaber die Verbreitung seiner Waren gestützt auf seine Markenrechte nicht mehr untersagen oder anderweitig beeinflussen, wenn diese Waren mit seiner Zustimmung in Verkehr gebracht wurden. Wenn eine Ware mit der Zustimmung des Markeninhabers in den Verkehr gelangt, dann verliert der Markeninhaber nach schweizerischer Auffassung grundsätzlich die Möglichkeit, den weiteren Vertrieb dieser Ware und die Bewerbung der Waren für den Verkauf zu verbieten oder gestützt auf seine Markenrechte zu steuern.

Unter welchen Voraussetzungen Markenrechte erschöpfen, ist im schweizerischen Markenschutzgesetz nicht ausdrücklich geregelt. Die Grundzüge der Erschöpfung wurden vielmehr von den schweizerischen Gerichten in verschiedenen Urteilen definiert, wobei jeweils die Interessen des Markeninhabers, seine Marken und den Weiterverkauf seiner Waren möglichst umfassend kontrollieren zu können, gegen die Interessen der anderen Marktteilnehmer abgewogen wurden, die Markenwaren nach der erstmaligen Inverkehrssetzung möglichst ohne Auflagen des Markeninhabers weiterverkaufen zu können.

Die Erschöpfung einer Marke bezieht sich immer nur auf die konkreten, mit der Zustimmung des Markeninhabers in Verkehr gebrachten Waren und nicht generell auf eine bestimmte Warengattung. Schweizerische Gerichte haben z.B. entschieden, dass allgemeine Werbung für eine Marke – ohne Bezug zu einem bestimmten, zum Verkauf angebotenen Produkt – oder der Gebrauch einer Marke auf einer Treuekarte dem Markeninhaber vorbehalten bleiben und von der Erschöpfung nicht erfasst werden, da die Erschöpfung nur auf den Weiterverkauf eines konkreten Produkts Anwendung findet.

 

Parallelimporte

Der Erschöpfungsgrundsatz gilt gemäss der schweizerischen Rechtsprechung grundsätzlich auch im internationalen Verhältnis. Das bedeutet, dass ein Markeninhaber, mit dessen Zustimmung Waren im Ausland in Verkehr gebracht werden, markenrechtlich nicht verhindern kann, dass diese Waren vom Ausland aus in die Schweiz importiert werden, auch wenn das Preisniveau und die Marktstrukturen unterschiedlich sind. Das Markenrecht bietet grundsätzlich keine Handhabe, Parallelimporte zu verhindern. Umstritten ist, ob es unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen vom Grundsatz der internationalen Erschöpfung geben soll. Wenn ein Markeninhaber z.B. im Ausland seine Waren auf einem hochregulierten oder subventionierten Markt mit künstlich tiefen Preisen absetzt, wird in der schweizerischen Literatur kontrovers diskutiert, ob sich der Markeninhaber in einer solchen Situation gegen die Einfuhr von verbilligten Waren in die Schweiz soll wehren können. Diskutiert wird ebenfalls, ob ein Markeninhaber in der Schweiz markenrechtlich gegen die Einfuhr von Waren vorgehen können soll, die über andere Eigenschaften oder Qualitätsmerkmale verfügen, als die vom Markeninhaber in der Schweiz vertriebenen Waren. So nehmen z.B. verarbeitete Lebensmittel häufig Rücksicht auf die Vorlieben der Konsumenten in einem bestimmten Land. Ein Markeninhaber hat ein legitimes Interesse daran, dass nicht eine für einen bestimmten Markt entwickelte Geschmacksrichtung ohne weiteres in andere Märkte importiert wird, wo diese Eigenschaften möglicherweise nicht geschätzt werden und sich deshalb negativ auf den Ruf der Marke auswirken.

Wird eine Markenware auf eine Art und Weise weiterverkauft, dass dies dem Ruf des Markeninhabers bzw. der Marke schadet, dann kann gegen diesen Weitervertrieb unter bestimmten Voraussetzungen mit den Mitteln des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vorgegangen werden.

Ob und in welchem Ausmass ein Markeninhaber den Weiterverkauf seiner Waren unabhängig von der Erschöpfung seiner Markenrechte mit seinen Weiterverkäufern vertragsrechtlich steuern kann, beurteilt sich nicht nach dem Markenrecht, sondern nach dem Kartellrecht.

 

Selektive Vertriebssysteme

Eine anerkannte Möglichkeit für den Markeninhaber, den Vertrieb von Waren zum Schutz des Rufs seiner Marke steuern zu können, sind selektive Vertriebssysteme. Die kartellrechtliche Rechtsprechung hat Kriterien definiert, nach denen zu prüfen ist, ob ein Markeninhaber vorschreiben darf, dass seine Markenware ausschliesslich in einem selektiven Vertriebssystem weitervertrieben werden darf. Bei einem selektiven Vertrieb wählt der Markeninhaber seine Zwischenhändler nach festgelegten (qualitativen oder quantitativen) Kriterien aus und verpflichtet sich gegenüber den derart ausgewählten Zwischenhändlern, seine Markenwaren ausschliesslich an Händler zu liefern, die diesen Kriterien entsprechen. Die vom Markeninhaber ausgewählten (d.h. zugelassenen) Zwischenhändler verpflichten sich ihrerseits, die Vertragsprodukte an keine aussenstehenden (d.h. nicht zugelassenen) Händler weiter zu veräussern. Innerhalb des selektiven Vertriebssystems müssen die Weiterverkäufer typischerweise Auflagen erfüllen, um z.B. eine ausreichende Beratung der Konsumenten und damit den guten Ruf der Marke und deren Ansehen sicherstellen zu können.

Kartellrechtlich zu beurteilen ist auch die Frage, ob und in welchem Umfang ein Markeninhaber in den Absatzverträgen mit seinen Zwischenhändlern auf den Weiterverkauf seiner Waren über das Internet Einfluss nehmen darf. In der EU wurde entschieden, dass der Inhaber von Luxusmarken im Parfumbereich seinen Abnehmern im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems grundsätzlich verbieten darf, die betroffenen Produkte online über sog. Drittplattformen wie z.B. eBay oder Amazon, die von den Kunden als Drittplattformen erkannt werden, zu vertreiben. Der EuGH hat entschieden, dass ein solches Verbot nicht per se kartellrechtswidrig ist und in selektiven Vertriebssystemen gerechtfertigt sein kann, um das Luxusimage eines Markenprodukts zu schützen.

Wie erwähnt, ist die Rechtsprechung zur markenrechtlichen Erschöpfung und zur kartellrechtlichen Zulässigkeit von selektiven Vertriebssystemen und insbesondere zur Ausgestaltung des Online-Vertriebs von Markenwaren das Ergebnis von komplexen Interessenabwägungen. Dies bedeutet auch, dass diese Rechtsprechung nicht in Stein gemeisselt ist, sondern von aktuellen wirtschaftspolitischen Diskussionen und Strömungen abhängt und sich verändern kann.

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